Kein Sommerloch für die französische Energiewende

 

Transition2kl-01

Während der Großteil der französischen Bürger Urlaub macht und aufgebrachte Landwirte Straßensperren errichten, sind in der Hauptstadt auch nach dem Nationalfeiertag noch rege Aktivitäten zu verzeichnen: Am 22.07.2015 wurde der Entwurf für das Gesetz zur „Energiewende und für das grüne Wachstum“ von der französischen Nationalversammlung – nach der 2. Runde und in 3. Lesung – verabschiedet. Sogleich haben die konservativen Gegner des als allzu rasch empfundenen Atomausstiegs ein Verfahren vor dem Verfassungsrat angestrengt, das die Verkündung des Gesetzes – zumindest theoretisch – in Frage stellen könnte. In den Abteilungen des Ministeriums für Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Energie werden die eifrig und parallel zum Gesetzgebungsverfahren erarbeiteten Erlässe und Dekrete vorangebracht. In diesem Zusammenhang verkündet eine Pressemitteilung des Ministeriums die „Neubewertung“ der Vergütungen für den Strom aus kleinen und mittleren Biogasanlagen in einer Größenordnung von 10 bis 20%. Auch das Deutsch-französische Büro für Erneuerbare Energien folgt den Entwicklungen auf dem Fuße mit interessanten Veröffentlichungen und Veranstaltungsankündigungen.

Es stellt sich die Frage für die interessierten Branchenvertreter: Welche Entwicklungen darf die Branche damit für die Zeit nach der Sommerpause erwarten?

Zunächst ist natürlich entscheidend, wie das Gesetz und die angeschlossenen Umsetzungsvorschriften weiterkommen.

Gemäß eines Artikels von ActuEnvironnement vom 24.07.2015 begründen die republikanischen Senatoren ihren Einspruch beim Verfassungsrat mit Verfahrensmängeln bei der Kompromissverhandlung der Gemischten Paritätischen Kommission im März. Hier wurde erwartungsgemäß keine Einigung zwischen den Parteien erzielt. Grund der Spaltung waren die Festlegungen zur Größenordnung und zum Zeitplan für den Atomausstieg. Der Präsident der Kommission hatte das Scheitern nach wenigen Sitzungsstunden verkündet – allerdings ohne Abstimmung oder Beratung mit den Kommissionsmitgliedern, was nach Ansicht der 60 Republikaner nicht verfassungsgemäß gewesen sei.

Im besagten Artikel werden aber einige Abgeordnete zitiert, die einen Erfolg der Gegner beim Verfassungsrat für unwahrscheinlich halten, da es angesichts der Dringlichkeit an Verhältnismäßigkeit fehle.

Wie ein weiterer Artikel von ActuEnvironnement vom 28.07.2015 berichtet, haben nun auch republikanische Abgeordnete eine zweite Anrufung des Verfassungsrates eingereicht. Sie begründen dies mit dem Widerspruch zwischen der erklärten Zielsetzung des Gesetzes und den vorgeschriebenen Mitteln: Die Forderung nach Reduktion der Treibhausgase, Gewährleistung von günstigen Energiepreisen und der Sicherheit der Stromversorgung sei nicht mit dem Ausstieg aus der Atomenergie zu vereinbaren.
Aber auch die Fragen nach den künftigen Rahmenbedingungen für die Branche sind von großer Bedeutung. Die Energiewende soll auch Lösungen für die in ihrer Existenz bedrohten Viehhalter liefern, die ihrem Unmut über den Preisverfall u. a. durch Straßensperren an den Grenzen Ausdruck verleihen. Die ehrgeizigen Pläne zur Schaffung einer französischen Biogasbranche in der Landwirtschaft versprechen hier Abhilfe, wenn es gelingt, den Betrieben eine zusätzliche Einkommensquelle durch die Verwertung der tierischen Nebenerzeugnisse zu schaffen – sprich die Methanverwertung aus Jauche und Mist rentabel zu machen. Die bisherigen Erfahrungen der Branche zeigen einen gewissen Handlungsbedarf. So hat eine nationale Biogaskommission inzwischen eine Bestandsaufnahme durchgeführt und Handlungsempfehlungen für das Ministerium erarbeitet.

Vor diesem Hintergrund ist die Andeutung von den zu erwartenden Förderungen durch die Ministerin sehr interessant:

Die versprochenen Veränderungen in Höhe von 10 – 20% und das in der Pressemitteilung genannte Beispiel einer 300 kW Anlage in einem 200 Kühe umfassenden Betrieb mit einem Gewinn in der Größenordnung von 40.000 – 50.000 € jährlich versprechen Hoffnung.

Eine kurze Bewertung auf Basis dieser Angaben im KTBL-Rechner verleiht dieser Hoffnung auch eine gewisse Berechtigung, wenn es gelingt, neben dem Einsatz von Rindergülle auch der Einsatz von weiteren kostenlosen Substraten aus der Abfallverwertung gesichert werden kann. Auch der Verzicht des Energiewendegesetzes auf ein generelles Verbot von Energiepflanzen geht in die richtige Richtung.

Doch die Erfolgskriterien für die Rentabilität einer Biogasanlage bzw. gar einer ganzen Industrie sind äußerst komplex. Jedes Einzelprojekt ist von vielen spezifischen Faktoren abhängig, und die Erfahrungen auf deutscher Seite zeigen, dass mit ähnlichen Anlagenkonstellationen sehr unterschiedliche Wirtschaftlichkeiten erzielt werden. Insbesondere der Bereich der kleinen Gülleanlagen in Deutschland, mit denen erst seit den begünstigenden Förderbedingungen im EEG 2012 Erfahrungen im größeren Umfang gemacht werden. Z. B. hat eine Auswertung der Betreiberumfrage zu Betriebsergebnissen von Güllekleinanlagen (Dr. Manfred Dederer, Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg, ergeben, dass die Rentabilität extrem schwankt.

Neben politischen Vergünstigungen sind die wichtigsten Erfolgskriterien ein optimales Projekt- und Betriebsmanagement. Best Practice heißt also auch, neben dem Einsatz von technischen Kenntnissen eine Optimierung des Managements voranzutreiben.

Letztendlich ist die erfolgreiche Umsetzung der ehrgeizigen Ziele der Biogasbranche sehr nützlich für die französischen Fortschritte im Hinblick auf Erneuerbare Energien und die Realisierung von europäischen Vorgaben: Durch Biogasnutzung im Bereich der Gülleverwertung werden Treibstoffgasemissionen verringert, denn durch die Nutzung des Methans in der Gülle wird dieses nicht freigesetzt. Durch die gleichzeitige Verwendung des Biomethans als Kraftstoff werden fossile Brennstoffe eingespart und die Luftreinheit verbessert. Landwirte können ihre wirtschaftliche Situation optimieren. Die Verwertung von Abfallstoffen dient zudem auch der Wirtschaftlichkeit und der Sicherheit der Stromversorgung. Und das selbst in Zeiten, wenn hohe Außentemperaturen die Abschaltung von Kernkraftwerken erforderlich machen.

Es dürfte sicher in Kürze Klarheit über die Entscheidungen herrschen. Für weitere Details zum Energiewendegesetz sei auf die entsprechende Notiz des Deutsch-französischen Büros für Erneuerbare Energien (DFBEE) verwiesen: „Französisches Energiewendegesetz in der von der Nationalversammlung am 22.07.2015 verabschiedeten Fassung“, Nils Eckardt, DFBEE.

Auch die Ankündigung der nächsten Veranstaltung, der „Konferenz zur Sicherheit von Biogasanlagen in Deutschland und Frankreich“, das das DFBEE am 21. Oktober 2015 in Paris (La Défense) in der Schaltzentrale der französischen Energiepolitik veranstaltet, lässt gute Insiderinformationen erwarten.

 

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  1. […] Während der Großteil der französischen Bürger Urlaub macht und aufgebrachte Landwirte Straßensperren errichten, sind in der Hauptstadt auch nach dem Nationalfeiertag noch rege Aktivitäten zu verzeichnen: Am 22.07.2015 wurde der Entwurf für das Gesetz zur „Energiewende und für das grüne Wachstum“ von der französischen Nationalversammlung – nach der 2. Runde und in 3. Lesung – verabschiedet. Sogleich haben die konservativen Gegner des als allzu rasch empfundenen Atomausstiegs ein Verfahren vor dem Verfassungsrat angestrengt, das die Verkündung des Gesetzes – zumindest theoretisch – in Frage stellen könnte. In den Abteilungen des Ministeriums für Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Energie werden die eifrig und parallel zum Gesetzgebungsverfahren erarbeiteten Erlässe und Dekrete vorangebracht. In diesem Zusammenhang verkündet eine Pressemitteilung des Ministeriums die „Neubewertung“ der Vergütungen für den Strom aus kleinen und mittleren Biogasanlagen in einer Größenordnung von 10 bis 20%. Auch das Deutsch-französische Büro für Erneuerbare Energien folgt den Entwicklungen auf dem Fuße mit interessanten Veröffentlichungen und Veranstaltungsankündigungen.Es stellt sich die Frage für die interessierten Branchenvertreter: Welche Entwicklungen darf die Branche damit für die Zeit nach der Sommerpause erwarten?Weiter: http://newenergy.mlschaller.eu/kein-sommerloch-fur-die-franzosische-energiewende/  […]

  2. […] Während der Großteil der französischen Bürger Urlaub macht und aufgebrachte Landwirte Straßensperren errichten, sind in der Hauptstadt auch nach dem Nationalfeiertag noch rege Aktivitäten zu verzeichnen: Am 22.07.2015 wurde der Entwurf für das Gesetz zur „Energiewende und für das grüne Wachstum“ von der französischen Nationalversammlung – nach der 2. Runde und in 3. Lesung – verabschiedet. Sogleich haben die konservativen Gegner des als allzu rasch empfundenen Atomausstiegs ein Verfahren vor dem Verfassungsrat angestrengt, das die Verkündung des Gesetzes – zumindest theoretisch – in Frage stellen könnte. In den Abteilungen des Ministeriums für Umwelt, nachhaltige Entwicklung und Energie werden die eifrig und parallel zum Gesetzgebungsverfahren erarbeiteten Erlässe und Dekrete vorangebracht. In diesem Zusammenhang verkündet eine Pressemitteilung des Ministeriums die „Neubewertung“ der Vergütungen für den Strom aus kleinen und mittleren Biogasanlagen in einer Größenordnung von 10 bis 20%. Auch das Deutsch-französische Büro für Erneuerbare Energien folgt den Entwicklungen auf dem Fuße mit interessanten Veröffentlichungen und Veranstaltungsankündigungen.Es stellt sich die Frage für die interessierten Branchenvertreter: Welche Entwicklungen darf die Branche damit für die Zeit nach der Sommerpause erwarten? weiter: http://newenergy.mlschaller.eu/kein-sommerloch-fur-die-franzosische-energiewende/  […]

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