Smarte Innovation – vom Silicon Valley zu Innovationsregionen und mobilem Fortschritt
Eine Million Elektromobile – eine innovative Herausforderung
Vor wenigen Tagen hat die deutsche Bundeskanzlerin eingeräumt, dass ein von ihr gesetztes Ziel wahrscheinlich nicht erreicht werde: eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland bis 2020 sind nach aktuellen Hochrechnungen auch tatsächlich schwer umzusetzen. Am 01.01.2017 waren 34.022 Elektro-Pkw und 165.405 Hybridautos zugelassen, davon wurden 2016 rund 11.400 Elektromobile neu angemeldet.
Dabei benötigt der Verkehrssektor dringend eine Verbesserung der CO2-Bilanz. Hier sind nicht nur keine Einsparungen, sondern sogar weitere Steigerungen des CO2-Ausstoßes zu verzeichnen. Elektromobilität und Strom aus erneuerbaren Quellen bzw. Wasserstoff aus überschüssigem regenerativ erzeugtem Strom für Brennstoffzellenfahrzeuge stehen als Technologie zur Verfügung, warum ist es so schwierig, innovative Lösungen zu realisieren und neue Geschäftsmodelle und Arbeitsplätze zu schaffen?
Das Silicon Valley gilt allgemein als Musterregion für innovative Geschäftsmodelle. Der scheidende NRW-Umweltminister hat den Namen dieser Bilderbuchregion des Öfteren als Metapher für die Innovationspotenziale bemüht, die in unserem Land und ganz besonders im Rheinischen Revier durch die Konzentration von hochkarätigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen gegeben ist. Das ist sicher Motivation genug, sich die dortigen Verhältnisse und ihre Übertragbarkeit auf uns genauer anzuschauen.
Wunsch & Wirklichkeit – der kalifornische Traum
Die herausragende Rolle der Region um das Santa Clara Tal und seine Entwicklung zum weltweit führenden IT und High-Tech Standort als „Silizium Tal“ begann bereits in den 1950er Jahren mit der Entwicklung der Halbleitertechnik und der Ansiedlung von entsprechenden Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Firmen. Militär und Raumfahrt waren dabei wichtige Fortschrittstreiber. Durch die in den 1980er und 1990er Jahren sich dort entwickelnde ITK Branche kamen wesentliche Standortstärken hinzu, die die Region zu dem weltweit führenden Eldorado der neuen Technologien machte.
Dies führte zu der bekannten Konzentration von global führenden Firmen der High Tech Industrie, die ihre Megaerlöse mit sehr geringem Aufwand an Investition und Personal erzielen. Auf Basis der Digitalisierung entwickeln sich so die bekannten disruptiven Geschäftsmodelle von UBER, Airbnb, etc. Die kompetentesten Spezialisten aus aller Welt zieht es in die nicht nur landschaftlich reizvolle Region. In zwanglosen Zusammenkünften von Ideengebern und Investoren werden tat- und finanzkräftige Konsortien auf die Beine gestellt, um effektiv und effizient Projekte umzusetzen, bei denen vor allem neue Internetplattformen und innovative Applikationen zum Fortschritt der Menschheit realisiert werden. Dabei kommt es darauf an, die Vorzüge der Geschäftsidee schnell und interessant in einem sogenannten Pitch zu präsentieren. Die finanziellen Risiken sind aber relativ unwichtig. Erfolgsraten von 10% gelten als ausreichend. Auch arbeitsrechtliche Hürden und Sozialabgaben haben für dortige Unternehmer wenig Bedeutung. Die Branche lebt von der Leidenschaft der aus aller Welt herbeiströmenden Spitzenkräfte. Wer da nicht mithalten kann, wird in die harte Wirklichkeit von unbezahlbarem Wohnraum und fehlender sozialer Absicherung entlassen.
An Rhein & Ruhr – die regionale Wirklichkeit
Wir leben sicher in anderen Verhältnissen, haben eine andere Geschichte: In den 1950er Jahren haben wir uns nicht so sehr mit kleinen Halbleiterbauelementen beschäftigt, sondern die Schwerindustrie aufgebaut – mit einem großen Bestand an Arbeitskräften, arbeitnehmerfreundlichen Mitbestimmungsmodellen sowie großen und mächtigen Verbandsstrukturen wie z. B. die Montanunion sowie riesigen Konzernen wie RWE.
Unsere Stärke im Energieland NRW wurde in Konzentration auf Industrieschwerpunkte entwickelt, um große Produktionsmassen bei gleichzeitiger Effizienz- und Qualitätssteigerung zu realisieren. Ausländische Arbeitskräfte kamen auch hierher, aber überwiegend als Industriearbeiter mit geringeren Qualifikationen und zunächst weniger flexiblen Einsatzmöglichkeiten im höher qualifizierten Beschäftigungssegment.
Darauf aufbauend wurden dann Kompetenzen im Anlagenbau sowie in entsprechenden Serviceunternehmungen weiterentwickelt. Die Energiewirtschaft bildet hier eine wichtige Basis, um die stromintensiven Produktionsanlagen zu versorgen. 40% des Stromes für NRW kommen dabei aus dem Rheinischen Revier und werden fossil erzeugt.
Doch inzwischen hat sich dank der Energiewende einiges verändert. Decarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung bieten die Basis für viele Innovationen und erfolgreich entwickelte Technologien, die auch Exportschlager sind. Mittlerweile gibt es im Bereich der erneuerbaren Energien etwa dreimal so viele Arbeitsplätze wie in der Energiewirtschaft auf Basis der fossilen Energieträger. Somit sind wir auf einem guten Weg. Doch warum kommen wir nicht so recht voran, wenn es um die Umsetzung eines innovativen Strukturwandels geht, wie z. B. in der Elektromobilität?
Haut de France – ein europäischer Leuchtturm
Silicon Valley ist sicher weit weg – nicht nur geographisch, sondern auch hinsichtlich der Standortfaktoren. Doch in der französischen Partnerregion von NRW, der Region Hauts de France im Norden des europäischen Nachbarlandes, findet sich ein interessantes Leuchtturmprojekt für den Strukturwandel in einem eher vergleichbaren Umfeld. Mit dem Masterplan von Jeremy Rifkin hat man dort die „dritte industrielle Revolution“ eingeleitet. Die Wende wird auf fünf Säulen vorangebracht, die man stichwortartig folgendermaßen anreißen kann:
- Wechsel zu erneuerbaren Energien
- Entwicklung Energie produzierender Gebäude
- Einrichtung von Energiespeicherkapazitäten
- Aufbau des Internets der Energie
- Neuerfindung der Mobilität von Personen und Gütern.
Die neuen Geschäftsmodelle basieren auf Regeln der Kreislaufwirtschaft und den Ansätzen der Share Economy.
Finanziert wird der Strukturwandel durch einen Regionalfonds, der neben der Zusammenführung verschiedener Investoren und Investitionshilfen auch durch Crowd Funding gespeist wird. Unternehmen, die in den Handlungsfeldern der industriellen Revolution Investitionen vornehmen, werden dabei aus einem speziellen Teil dieses Fonds unterstützt.
Das Potenzial an lokaler Innovationskraft und Kreativität wird durch partizipative Aktionen erschlossen. So kamen Ende April in Lille in der Zukunftswerkstatt „Techshop“ 3.500 Bürger zusammen, um sich gemeinsam im Design Thinking zu üben. Diese Methodik schlägt die Brücke zu Ansätzen der amerikanischen Innovationskultur.
S M A R T e Innovation – das Wesentliche in 5 Merkmalen
Auf Basis dieser Beobachtungen und Einsichten lassen sich m. E. folgende smarten Maximen für ein erfolgreiches Innovationsmanagement ableiten.
S :: Sensibel auf Chancen reagieren
Gelegenheiten müssen erkannt und genutzt werden. Die nötige Sensibilität basiert auf einer maximalen Kompetenz und Kreativität bei gleichzeitiger Konzentration darauf, einen Mehrwert zu schaffen. Im Bereich der Innovation von Energiewirtschaft und Mobilität geht es darum, komplexe Strukturen zu durchschauen, um Gelegenheiten zur Verbesserung für die alltäglichen ökologischen und ökonomischen Herausforderungen zu nutzen und zum Fortschritt durch nachhaltige Geschäftsmodelle beizutragen. Hier sind Dezentralisierung und Digitalisierung Antreiber und Werkzeug zugleich. Folgende Abbildung visualisiert die komplexen Verknüpfungen von Erneuerbaren Energien und nachhaltiger Mobilität.
M :: Mutig auf Herausforderungen zugehen
Die Angst vor dem Scheitern sowie vor dem Verlust von starren Strukturen wird in unserem Kulturraum besonders gepflegt, doch das ist hier kontraproduktiv. Stattdessen gilt es danach zu streben, Fehler zuzulassen, daraus zu lernen und auf neue schlanke Methoden wie Design Thinking und Scrum zu setzen. Bewährte Prozesse der Innovation sehen die Schaffung neuer Produkte und Services als iterativen Ansatz und beziehen die Fehlentscheidungen als Lernstufen mit ein.
A :: Agile Teams bilden
Es gilt dabei ganz besonders, innovative Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln, und multidisziplinäre Teams mit flachen Hierarchien und minimalen Bürokratieüberbauten zusammenbringen. Die Prozesse müssen in Ausrichtung auf das Ziel transparent geführt und kohärent gegliedert sein: Aufstellung von Konzepten, Terminachsen und Kennzahlen, Durchführen von Maßnahmen und Überprüfung, ob Ziele erreicht werden oder ob Veränderungen am Prozess nötig sind – viel mehr braucht es oft nicht, um den Wandel komplexer Aufgaben zu strukturieren und effektiv voranzutreiben. Die Berücksichtigung der Interaktionen zwischen den Systempartnern mit dem Ziel der Mehrwertgenerierung ist zielführend.
R :: Richtig finanzieren
Moderne Formen der breiten Beteiligung wie Crowd Funding sind zur Minimierung des Risikos des Einzelnen geeignet. Die Förderung der Kapitalbeteiligung größerer Institutionen in sinnvollen Projekten, die proaktive Einbindung der Unternehmen in den Strukturwandel, der Abbau der Bürokratie in Förderprogrammen auf ein sinnvolles Maß, zielgerecht eingebrachte Investitionszuschüsse helfen, das benötigte Kapital schnell und effizient zu platzieren.
T :: Tatkräftig voranschreiten
Es kommt vor allem darauf an, mehr Projekte umzusetzen, anstatt in langwierigen Analysen und Risikobetrachtungen zu verharren. Dazu müssen die Akteure sich in lokalen Netzen zusammenschließen, gemeinsame Interessen ausloten und Bedarf an Unterstützung für gemeinsame Ziele definieren, um dann Projekte im Einklang mit den zuvor beschriebenen Maximen zu realisieren.
Eine Million Elektromobile – eine innovative Einladung
Mit diesen 5 Maximen kann ein optimaler Innovationsprozess kurz methodisch skizziert werden. Die inhaltliche Ausgestaltung ergibt sich durch das aufbauende Zusammenspiel zwischen kompetenten Systempartnern.
Was unsere Regionen angeht, so bin ich zuversichtlich, dass sich hiermit Ziele wie 1 Million Elektromobile in Deutschland und noch viel mehr erreichen lassen. In Ergänzung zu dieser abstrakten Darstellung mache gerne entsprechende konkrete Vorschläge für Ihre speziellen Projekte und Strategiekonzepte. Sie sind eingeladen, über die jeweiligen Möglichkeiten zu diskutieren. Damit wir weiterkommen.
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