Technische Projekte und ihre Projektteams … mehr als die Summe der Teilkompetenzen
Die meisten von uns sind in Projekten eingebunden. Nach dem Wochenende oder gar nach dem Urlaub kehren wir mehr oder weniger erholt zurück in die Maßnahme, oft genug mit einem mulmigen Gefühl im Inneren. Wir alle kennen dieses Gefühl, dass man auf Schwierigkeiten trifft, die eigentlich überflüssig sind. Stress durch fehlende Selbstwirksamkeit ist an der Tagesordnung. Doch wenn aus fachlicher Sicht alles klar sein müsste, was verdirbt denn hier den Spaß an einem effizienten Projektablauf? – Für mich ist es in erster Linie eine ineffiziente Rollenverteilung.
Projektmanagement ist (auch) Teammanagement
Projekte werden durch Teams realisiert. Teams sind i. d. eher zufällig zusammengesetzt, nur sehr selten gelingt eine gezielte Auswahl von speziellen Mitgliedern mit aufeinander abgestimmten Profilen. Insbesondere in Bauprojekten mit dem Zusammenwirken mehrerer Firmen, Auftraggeber und Auftragnehmer, müssen die einzelnen Gewerke unter Zeitdruck und unter Berücksichtigung von Interessenkonflikten optimiert werden. Wenn Führungsrollen nicht ausgefüllt, ineffiziente Prozeduren nicht geändert, Termine und Arbeiten nicht koordiniert werden, geht das auf die Kosten von Zeitplänen, Budgets und … der Gesundheit aller.
Eine Geschichte aus dem Projektalltag
Ein Projektingenieur erhält einen Anruf der Behörde, dass im Zuge einer Baumaßnahme ein genehmigungsrechtliches Problem aufgetaucht sei. Der Ingenieur hat die entsprechenden Anträge bearbeitet. Die Bauüberwachung hat ein anderer Kollege inne. Doch er verspricht dem aufgebrachten Aufsichtsbeamten, Klärung herbeizuschaffen. Da der Kollege – wie alle anderen 2 Bauüberwacher – in Urlaub ist – wendet er sich an den Geschäftsführer. Dieser gerät außer sich, offensichtlich überfordert, will er „alle Projekte vor die Wand fahren“.
Was hier als unproduktives Dilemma entlarvt wird, ist ein Rollentausch: Die Wut des Geschäftsführers war in erster Linie darauf zurückzuführen, dass er sich in seiner Ruhe für eine wichtige Entwicklungsarbeit belästigt fühlte. Und zwar durch Probleme seiner Mitarbeiter, für die er keine Zuständigkeit übernehmen wollte. Er sah sich als Solitär, als Spezialist auf seinem Gebiet, die anderen Teammitglieder sollten sich als Spezialisten genauso um ihre Projekte kümmern. So konnten auch alle Bauleiter gleichzeitig für 3 Wochen in Sommerurlaub gehen, obwohl die Baustellen weiterliefen. Dass er dann auch noch von einem Projektingenieur zu einer Handlung aufgefordert wurde, sprengte erst recht seine Vorstellung von der Rollenverteilung. Denn der Projektingenieur drückte nun sein großes Unverständnis darüber aus, wie schlecht die Koordination abgelaufen war, und erbat kurzfristig ein Handlungskonzept, da er es für wichtig erachtete, das Außenverhältnis im Sinne der Kunden und der Genehmigungsbehörde zu klären.
Fachkompetenz versus Führungsstärke
Hier war eine Führungsposition mit einem Ingenieur besetzt, der sich keineswegs als Führungskraft, sondern als Spezialist mit herausragenden Fachkompetenzen verstand. Er prallte auf einen Projektingenieur, für den die Koordination und Abstimmung eine wesentliche Basis des Projekterfolgs ausmachte, und der auch gewohnt war, sich durchsetzungsstark zu präsentieren. Eine fruchtbare Zusammenarbeit war hier natürlich nicht zu erreichen, da dies einen ständigen aussichtslosen Kampf gegen die Geschäftsleitung bedeuten würde.
Rollenmodelle als Denkanstoß
Aber in anderen Situationen kann ein Bewusstsein dieser Rollenfunktionen der erste Schritt zu einer Verbesserung der Projektzusammenarbeit bedeuten. Es gibt dazu natürlich eine Fülle von theoretischen Abhandlungen. Aus meiner Sicht ist das Modell von Belbin, (BELBIN TEAM ROLES), recht einleuchtend. In Ergänzung zu der umfangreichen Literatur möchte hier eine Infographik zur Verfügung stellen. Ich bitte dabei um Verständnis, dass lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit nur die männliche Form der Rolle benutzt wurde, die sich ausdrücklich auch auf weibliche Teammitglieder bezieht. Die Ausarbeitung der Rollen basiert frei auf Belbin, die entsprechenden englischen Rollenbezeichnungen sind aufgeführt.
Anhand der knappen, stichpunktartigen Darstellung kann vielleicht der oder die eine oder andere die Ursachen für Ärger, Stress und Ineffizienz ausfindig machen. Als Projektmanagerin und „ambitionierte Koordinatorin“ bin ich durch die langjährige Praxis fest von der Wirksamkeit überzeugt, die eine optimierte Delegation erzielt. In Führungsrollen ist ausgeprägte Fachkompetenz nicht so wichtig wie Führungs- oder Koordinationsstärke. Jedes Team benötigt aber auch seine Spezialisten und Teamworker wie alle anderen Profile. Oft erfüllt ein Mitglied natürlich mehrere Funktionen – insbesondere in kleinen Planungsteams. Es geht nie auch ohne Konflikte – aber man muss sich ihnen stellen.
Wenn ich Sie damit motivieren kann, zum Wochenbeginn ein wenig innezuhalten und die Strukturen in Ihren Teams zu bedenken, freue ich mich – natürlich sind auch Ihre Rückmeldungen sehr willkommen. Lassen Sie mich wissen was Sie davon halten.
Hinterlassen Sie einen Kommentar
Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?Feel free to contribute!